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Rezension: Ein Garten der Natur: Friedrich Ludwig von Sckell und die Parklandschaft zu Nymphenburg

Dieses traumhafte Buch ist dem "Nymphenburger Park" in München gewidmet. Dem Dumont-Reisetaschenbuch München kann man den Vermerk entnehmen: "Nymphenburger Park", Schloss Nymphenburg; große Parkanlage teils in französischem, teils in englischem Stil mit Brunnenanlage, See und drei kleinen Schlösschen (S.178). Im Jahre 2002 besuchte ich am Ostermontag aufgrund dieser kleinen Notiz diesen Park und war überwältigt von der Schönheit. Jetzt nach fast neun Jahren wurden aufgrund des vorliegenden Buches meine Erinnerung erneut wach. Die Fotografien von Sigrid Neubert verzichten auf alles Bunte, sind in Schwarzweiß oder in herbstlichen Farbtönen gehalten und lassen den Eindruck entstehen, dass das Kopfkino sich auf geheimnisvolle Weise zu visualisieren beginnt.

Nachdem ich mich zunächst in die Bilder vertieft habe, über die ich später etwas schreiben möchte, habe ich zunächst die Seiten 94-95 gelesen, um mehr über die Fotografin und die Autoren im Buch zu erfahren.

Die Meisterfotografin Sigrid Neubert absolvierte Ende der 1940er Jahre die Fotoschule in München und hatte im Anschluss daran ihr eigenes Atelier in Frankfurt. Von 1955 bis 1990 war sie als Architekturfotografin tätig und reiste zu diesem Zwecke im Auftrag von Architekten nach Südamerika, Afrika und in den nahen Osten. Neuberts große Liebe gilt dem Nymphenburger Park, wovon sie nicht nur in vorliegendem Buch Zeugnis ablegt.

Der 1750 geborene Landschaftsgärtner Friedrich Ludwig von Sckell reiste nach seiner Lehre nach Versailles, um dort die Gartenkunst Le Notres kennenzulernen. Anschließend studierte er die neuen Landschaftsgärten in England. In seinem dann höchst bemerkenswerten beruflichen Werdegang wurde er nie Nachahmer, sondern ging stets seinen eigenen Weg. 1803 erhielt er den Auftrag seitens des damaligen Kurfürsten Maximilian IV. und späteren Königs von Bayern dem Schlosspark zu Nymphenburg die heutige Form zu geben. Von Sckell starb 1823 in München.

Der Autor des Essays "Paradigma Park" Peter Latz hat seit 1983 den Lehrstuhl für Landschaftsarchitektur und Planung an der Technischen Universität in München inne. Mehrfach international ausgezeichnet wurde er für sein Werk der Metamorphose eines ehemaligen Hüttenwerks im Landschaftspark Duisburg Nord.

Bevor ich mich mit den Fotos und den diesen begleitenden Texten auseinander gesetzt habe, las ich zunächst erst den sechsseitigen Essay "Paradigma Park". Latz beginnt seinen Essay mit dem Satz "Der Park ist ein öffentlicher Raum". Anschließend skizziert er die Geschichte der Parks, die anfänglich zunächst Jagdwälder waren. Später erst dienten sie der Repräsentation und wurden Lustgärten für den Hofstaat. Der Pläsier wegen wurden sie immer raffinierter gestaltet. Für Latz sind die Landschaftsgärten des 18. und 19. Jahrhunderts unübertroffen und zwar sowohl die romantisch-konservativ gestalteten, wie der Bergpark Kassel-Wilhelmshöhe, aber auch die klassisch-harmonischen wie etwa der "Englische Garten" in München von Friedrich Wilhelm von Sckell.

Man liest von der Entwicklung der Parks hin zum bürgerlichen Aufenthaltsort im 19. Jahrhundert. Durch diese "Volksgärten" beabsichtigte man dem Wunsch nach gesellschaftlicher Gleichstellung mit dem Adel und dem Bildungsanspruch des Bürgertums nachzukommen. Mitte des 20. Jahrhunderts dann trat die Ästhetik in den Hintergrund, weil der so genannte "Funktionalismus" die Gestaltungssprache der Wiederaufbaus war, (vgl.: S.89).

Parks erleben derzeit eine neue Blüte und zwar als hilfreiches Heilmittel für belastete Industrie- und Transportbrachen. Diese Parks unterwirft man den Regeln der Nachhaltigkeit. Nach ökologischen Grundregeln wird eine natürliche Entwicklung auf den Weg gebracht, allerdings hervorgerufen und aufrechterhalten durch die Technik. Da die Technologien für den Unterhalt großer Parks sehr teuer sind, stammt die Mehrzahl der Anlagen aus primär land-und forstwirtschaftlich abgeleiteten Methoden.

Latz erläutert näher, weshalb ein Park ein System von Informationsschichten ist und den Wunsch nach Gegenwart impliziert. Auf alle Facetten seines Essays näher einzugehen, führt an dieser Stelle zu weit, denn das Hauptaugenmerk sollte den Bilder der Fotografin Sigrid Neubert gelten, die sich zu Beginn durch einen Eingangstext vor Friedrich Ludwig von Sckell und seinen Gärten der Natur textlich verneigt, bevor sie mit ihren Bilderwelten aufwartet, die von zitierten Gedanken des Sckells begleitet werden.

Die Fotos wirken unwirklich, wie Träume oder gedankliche Blicke in die Vergangenheit und sie beeindrucken durch ihre Poesie. Auf einem Schwarzweiß-Foto, das mich vom Motiv her an ein Gemälde von Monet erinnert, sieht man einen See, schattenspendende Bäume und ein Brücke. Man vermisst das Grün keineswegs, sondern achtet darauf, wie sich die Bäume fast eitel im See spiegeln. Auf einem anderen Schwarzweiß- Foto sieht man ein einen See, ein Pavillon, Bäume. Man ahnt, dass dieses Bild in einem Schlosspark aufgenommen ist, aber man muss ein Kenner des Nymphenburger Parks sein, um zu wissen, dass die Aufnahme dort entstanden ist.

Es folgen beeindruckende Bilder, deren Motive ich an dieser Stelle leider nicht alle beschreiben kann und kleine Texte von Sckell, wie dieser: "Der Wert eines Naturgartens liegt nicht in seinem ausgedehnten Umfang, sondern in seinem inneren Kunstwert, in seinen schönen Formen und Bildern."(Zitat Seite: 25).

Ein Schwarzweiß-Foto, das ich besonders mag, ist im Herbst aufgenommen worden. Man wird mit einem kleinen Weg konfrontiert, der aus einem Wald herausführt. Das alte Brückengeländer ist mit Amphoren dekoriert. Begleitet wird das Bild von folgendem Text:

"Menschen, die die Welt noch nie betrübte und die ein beständiger Frohsinn beglückt, sehnen sich vorzugsweise nach den lieblichen Bildern der Natur, während andere, die stets des Schicksals harte Laune empfinden mussten, die bald die Hoffnung, bald die Freundschaft oder die Liebe täuschte, sich den frohen Zirkeln zu entfernen suchen, diese fliehen und eher in düstere Wälder, in heilige Haine, wo Ruhe, Einsamkeit und hoher Ernst wohnen, hineilen."(Zitat: S. 30)

Eine Farbaufnahme, die leichten Nebel auf einer diffus von der Sonne bestrahlten Wiese im Park zeigt, gefällt mir sehr gut, auch ein Schwarzweiß-Foto mit zwei auf Podesten stehenden Figuren, die ins Wasser zu blicken scheinen und Zeitlosigkeit thematisieren. Zauberhaft ist das Foto, auf dem ein Wasserfall abgelichtet ist. Dort befindet sich eine weiße Marmorskulptur, eine Frauengestalt, von der man meint, sie erfrische sich vergnügt durch ein dauerhaftes Duschbad.

Antike Skulpturen im Park, an einem nebeligen Tag aufgenommen, schaffen surreale Welten, bewirken gedankliche Zeitreisen, besonders dann, wenn man allein durch den Park spaziert. Eines der letzten Fotos zeigt einen steinernen Satyr, auf einer Querflöte spielend, fast unbemerkt im Laub sitzend. Vor meinen geistigen Auge taucht der Begriff "Waldeslust" auf und erhält durch den Anblick des Satyr eine völlig neue Bedeutung.

Ein wundervolles Buch. Empfehlenswert.

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